Aus der Presse
(K)EIN REPERTOIRSTÜCK
Eigentlich müsste das Werk zum Repertoire jedes Pianisten gehören. So wie sie Beethovens Es-Dur-Konzert, Schumanns a-Moll-Konzert oder Tschaikowskys b-Moll-Konzert beherrschen, sollten die grossen Meister der Tasten erpicht sein, mit György Ligetis Klavierkonzert zu brillieren. Aber die meisten wollen nicht, oder sie können es nicht. Denn der Solopart des 1988 in der fünfsätzigen Fassung vollendeten Konzerts ist technisch extrem schwierig und fordert zudem einen Begleitkörper, der mit einem herkömmlichen Sinfonieorchester nichts zu tun hat.
Der Zürcher Pianist Stefan Wirth hat Ligetis Klavierkonzert im Repertoire. Zusammen mit dem Collegium Novum Zürich unter der Leitung von Jonathan Stockhammer hat er es in der Tonhalle mit grossem Erfolg aufgeführt. Das Spannende an Ligetis Konzert ist, einfach gesagt, der originelle Umgang mit dem Rhythmus und der Zeit. Die Rhythmen, alle genau notiert, sind derart komplex, dass der Zuhörer sie als etwas völlig Chaotisches wahrnimmt. Die Zeit rast entweder im Schnellzugstempo vorbei, oder sie steht, wie im zweiten Satz, gleichsam still. Wirth, der grosse Erfahrung mit zeitgenössischer Musik hat, verband bei der Wiedergabe ekstatische Hingabe mit minuziöser Kontrolle.
NZZ, 6.5. 2015
BÜHNE UND KONZERT
«Constellation Boulez» in Genf
Wenn Strukturen expressiv explodieren
Alfred Zimmerlin 30.1.2013, 06:00 Uhr
Der Schweizer Stefan Wirth ist auch Komponist und hat einen ähnlich unmittelbaren, starken Ausdruckswillen wie der alle Grenzen sprengende junge Boulez.
Gerade im Frühwerk von Boulez steckt das Feuer des Bilderstürmers, was Wirth auf starke Weise zu zeigen vermag, indem er etwa die «Notations» gleichsam aus dem Augenblick heraus wie neu schafft und einen vergessen lässt, dass sie fast siebzig Jahre alt sind. Dann am Ende des zweiteiligen Abends das chef-d'œuvre der Frühzeit: Unglaublich, wie virtuos Wirth die riesige zweite Klaviersonate von 1947 in den Raum explodieren liess und ihr bei aller Konzentration auf den gegenwärtigen Ausdruck eine umwerfende Zugkraft gab. Was für ein Schluss: lange bewegte Stille.
KLANGREISEN MIT FLÜGEL
"Stefan Wirth interpretierte vier Etüden von György Ligeti und fünf selbst komponierte Stücke. Die Dynamik von kargen musikalischen Einzeltonsetzungen und verdichteten Ausbrüchen von Ligeti schien er bei seinen eigenen Etüden noch toppen zu wollen: In wilden Jagden kumulierten sich die Tonfolgen, spreizten sich die Intervalle und hämmerte es aus dem Flügelgewölbe.
Faszinierend die Präsenz von Wirth, wie er mit ungestümem Drang, Körpereinsatz und zupackender Konzentration die Klangpyramiden meisterte."
Pirmin Bossart, Neue Luzerner Zeitung 29. 1. 2015
GEMISCHTER AUFTAKT
Das Klavierfestival "Klavierissimo"
Als Einziger der jüngeren Pianisten am diesjährigen Festival widmet sich Stefan Wirth Klavierwerken der letzten 50 Jahre. Zu später Stunde spielte er in einem Nachtkonzert "Makrokosmos I" für verstärktes Klavier von George Crumb. (...)
Neben dem Spiel mit Händen und Unterarmen auf der Klaviatur nimmt für Crumb auch das Innere des Flügels eine zentrale Rolle ein. Dort muss u.a. mit den Fingern oder mit einer feinen Kette über die Saiten gestrichen werden, dazu soll der Pianist auch Wörter rufen oder gespenstisch ächzen. Eine Herausforderung, die Wirth bravourös meisterte. Er brachte den Zyklus nuanciert zum Klingen und stellte die meist eher dunklen und unheimlichen Sätze packend dar. Und trotz fehlender Verstärkung kamen selbst seine leisesten Klänge glasklar an.
Moritz Weber, NZZ 1.2.2014